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Familien im Kahn auf Entdeckerfahrt durch Lübben

Dort abschalten, wo eure Kinder Abenteuer erleben

Das ganze Jahr über gibt es für Schulkinder fast nur einen langersehnten Moment: der Beginn der Sommerferien. Oft ist das die Zeit, wo weite Flüge, ausgiebige Strandtage und viel zu viel Essen auf dem Programm stehen. Urlaub in Brandenburg oder gar in Deutschland kommt in diesem, lange im voraus geplanten, Jahresurlaub nicht in Frage…

Aber wieso eigentlich nicht?

Gerade der Spreewald bietet Eltern einen Ort zum Entspannen, während die Kinder Spaß haben und lehrreiche Abenteuer erleben. Das lange Autofahren, die Verspätungen auf dem Bahnsteig oder der Stress auf dem Flughafen sind aus meinen Erfahrungen ohnehin nicht immer ein perfekter Start in den Urlaub. Also wieso die Urlaubswege nicht kürzer halten und in eine Urlaubsregion in der Nähe reisen? Diese Frage habe ich mir vor einigen Tagen gestellt und wollte herausfinden, ob der Spreewald ein noch unentdecktes Juwel in Sachen Familienurlaub ist.

Blumen in weiß znd blau

Ich musste gar nicht lange suchen, bis ich die ersten Angebote für Familien und Ferienkinder fand. In vielen Orten gibt es zwar über das ganze Jahr hinweg tolle Spiel- und Spaßmöglichkeiten, in den Ferienzeiten warten jedoch ganz besondere Abenteuer auf kleine Entdecker. So beispielsweise der Lübberner Kindersommer (vom 28.6. – 13.8.2021). Lübben ist neben Burg und Lübbenau einer der größten Orte im UNESCO-Biosphärenreservat. Die Stadt bildet das Tor vom Unter- in den Oberspreewald (oder andersherum!) und hat auf ihrem Ortsschild die zusätzliche Bezeichnung Lubin (Błota) – ihre niedersorbische Benennung. Und genau hier könnt ihr die ganzen Sommerferien lang von Montag bis Freitag an Entdeckertouren, Bastelkursen, Schatzsuchen, Museumsführungen, Theatheraufführungen und vielem mehr teilnehmen. Die Kinder können den Spreewald durch ihre eigenen Augen und in ihrer eigenen Sprache kennenlernen, während Mama und Papa, Oma und Opa sich zurücklehnen oder einfach mitmachen.

Das musste ich einfach ausprobieren und einen Tag lang in die Rolle einer „Ferienfamilie“ schlüpfen. Nach reichlicher Überlegung habe ich mich für zwei Programme entschieden, die (wie ich nun weiß) abenteuerlicher, wissenswerter, lustiger und freundschaftlicher nicht hätten sein können. Ich kann euch schon vorab verraten: Ich bin begeistert und hätte am liebsten auch noch alle anderen Angebote des Lübbener Kindersommers besucht…

Spürnasen im Einsatz - Entdeckerkahnfahrt für Kids

Am Montagmorgen um 10 Uhr bin ich normalerweise noch nicht richtig wach – und schon gar nicht in den „Ferien“. Doch als ich mich in der Tourist-Info auf der Schlossinsel in Lübben zu einigen Familien gesellte, die gespannt Herrn Klaffer, einem Mitarbeiter der Einrichtung, lauschten, wurde auch ich hellhörig.

Er entschuldigte sich aufrichtig, denn eigentlich sollte die bevorstehende Entdeckertour von einem befreundeten Kahnfährmann übernommen werden – dieser könne an jenem Montagmorgen jedoch leider nicht in die Stadt kommen. Er wolle stattdessen seinen Hausmeister schicken, der zwar noch nie in einen Kahn gestanden, jedoch gerade durchaus Zeit dafür habe. Verdutzt warfen die Kinder in der ersten Reihe einen unsicheren Blick zu ihren Eltern. Herr Klaffer schien die Situation jedoch auf die leichte Schulter zu nehmen und sagte: „Aber das soll ja für euch auch hier kein Urlaub sein“! Im selben Moment teilte er einen Fragebogen und Kartenmaterial von dem verschlungenen Fließlabyrinth rund um die Tourist-Information aus. Auf der Entdeckerkahnfahrt sollen die Kinder Fragen zu einem besonderen Lebewesen im Spreewald beantworten: dem Frosch. Gemeinsam mit Florian, dem Teichfrosch und dem etwas kuriosen Hausmeister werden die Kinder verschiedene Infopunkte mit dem Kahn ansteuern und so ein geheimes Lösungswort herausfinden. Die Wasserwanderkarte, die jedes Kind bekam, diente als „Improvisation“, sodass sie dem ahnungslosen Hausmeister den richtigen Weg weisen könne.

Hausmeister Stephan

Da niemand wusste, wer der Hausmeister sein würde, begaben wir uns rund um den Hafen auf die Suche nach einem, nicht wie ein gewöhnlicher Kahnfährmann aussehenden Kahnfährmann. Mit einem kleinen Tipp der Fährmannkollegen haben wir ihn schnell gefunden.

 

Hallo Stephan!

Die Kahnfahrt dauerte ca. eine Stunde und wir lernten viel über das Aussehen, das Leben und die Ernährung von Fröschen sowie die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind. Ein besonderer Hingucker waren für mich die gemalten Kinderbilder an den Info-Punkten. Es waren Kinder zwischen 5 und 10 Jahren auf der Kahnfahrt mit dem vermeintlichen Hausmeister Stephan (der natürlich in Wirklichkeit auch ein richtiger Kahnfährmann war) und alle haben einen riesen Spaß gehabt. Die Eltern haben teilweise dahingedöst, einige haben sich mit ihrem Kind zusammen in das Rätsel hinein gesteigert. Für mich ein kleiner Spreewald Moment, der in keinen Sommerferien fehlen sollte.

Abenteuer Turmaufstieg

Mit einer kleinen Pause zwischendurch wollte ich neben der Natur anschließend auch etwas über die Kultur in Lübben durch Kinderaugen erfahren. Um 18 Uhr war ich mit der ersten und einzigen Türmerin in Berlin-Brandenburg verabredet. Zusammen mit zwei weiteren Familien trafen wir uns vor dem großen Turm der Paul-Gerhardt-Kirche. Paul Gerhardt? Noch nie gehört!

Hier ein kleiner Steckbrief für Unwissende wie mich:

Paul Gerhardt ist am 12. März 1607 in Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt geboren und 69 Jahre später am 27. Mai 1676 in Lübben gestorben. Man kannte ihn hierzulande als evangelisch-lutherischen Theologen und Kirchenlieddichter.

Paul Gerhardt war mit seinen Kirchenliedern in Johann Crügers Gesangsbuch sehr erfolgreich und wurde obendrauf im Jahr 1657 zweiter Diakon (einfach: der Helfer des Priesters) und später Pfarrer an der Nikolaikirche in Berlin. Nachdem er dort aufgrund einer verweigerten Unterschrift entlassen wurde, ging er nach Lübben, um dort als Archidiakon (erster Diakon) zu arbeiten. Nach seinem Tod wurde er im Chorraum der heutigen Paul-Gerhardt-Kirche beigesetzt.

„Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ als sein bekanntestes Kirchenlied.

„Ich steh an deiner Krippe hier“ als ein beliebtes Weihnachtslied.

„Licht, Leben, Freud und Wonne“ besaß ursprünglich 15 Strophen und wird auch außerhalb des Gottesdienstes gesungen.

Zu Beginn des Turmaufstiegs gab die Türmerin interessante Fakten über eben diesen Dichter und den Turm der Paul-Gerhardt-Kirche preis. So unter anderem, dass der Turm 53 Meter hoch und somit das höchste Wahrzeichen der Stadt Lübben ist. Er ist über 500 Jahre alt und verbirgt in der kleinen, goldenen Kugel auf der Spitze ein Geheimnis – einen Schatz. Auf die Frage hin, was es wohl sein möge, antwortete eine kleine Teilnehmerin:

"Eine Überraschung!"

Ich weiß nun, was sich in der goldenen Kugel auf dem Turm verbirgt und hätte damit wirklich nicht gerechnet! Verraten werde ich es euch jedoch nicht … Vergesst also bei eurem Besuch bei der Türmerin nicht nachzufragen!

Das wahre Abenteuer begann jedoch erst, nachdem wir gemeinsam die geheime Seitentür zum Turm aufgeschlossen und im Entenmarsch durch enge Gänge und steilen Treppen unseren Weg nach oben gefunden haben.

„Vergesst nicht, die Treppenstufen zu zählen!“ hatte die Türmerin noch gesagt.

Selbst wenn ich es wollte, könnte ich gar nicht mehr wiedergeben, was ich alles bei diesem Aufstieg gelernt habe. Ich weiß nun, welche Tiere in dem Turm gelebt haben, welche der drei Glocken fast 300 Jahre alt ist und warum im Turm Steine aus der Lübbener Stadtmauer verbaut wurden. Ich habe gelernt, welche Töne die einzelnen Glocken von sich geben und auch, wann man die einzelnen oder alle zusammen hören kann. Ich weiß nun, was 400 kg Quark mit dem Turm zu tun haben warum die Lübbener der Türmerin zufolge „ihr letztes Haar für den Turm gelassen“ haben.

Während eine liebevoll eingerichtete Türmerstube auf der ersten Etage die Kinder ins staunen versetzte, sangen wir alle gemeinsam im zweiten Stock vor den drei großen Glocken stehend „Bruder Jakob“. Im obersten, für uns zugänglichen Raum auf 22 Metern Höhe hatten wir einen fantastischen Blick über das grüne Blätterdach des Spreewaldes…

Ich konnte von hier aus sogar das Tropical Islands sehen! Und leider auch schon das Ende des Turmaufstiegs, denn wir warteten noch einen Glockenschlag um 19 Uhr ab und mussten dann auch schon wieder langsam und vorsichtig nach unten tapsen.

Auch diese Tour ging ca. eine Stunde (für mich fühlte es sich an, wie rasende zehn Minuten).

Die teilnehmenden Kinder waren zwischen 4 und 12 Jahre alt und konnten miträtseln, ausprobieren, schätzen, lachen und verstanden die teilweise verzwickte Geschichte rund um den Turm der Paul-Gerhardt-Kirche – dem Wahrzeichen der Stadt Lübben – ohne Zweifel.

Mein Fazit zu meinem „Ferientag“ im Spreewald ist eindeutig: ein absolutes To-Do für die Ferien. Ob Lübbener Kindersommer oder auch andere Familien-Abenteuer im Frühling, Herbst und Winter. Der Spreewald eignet sich perfekt als Tagesausflug, Zwischenstopp oder Urlaubsort für Familien mit Kindern jeden Alters.

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