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Mit unbeliebten Superstars die Sommerferien aufpeppen

Ihr sucht noch ein tolles Projekt für die Sommerferien? Ich habe etwas für euch! Es geht um sechs völlig unbekannte Superstars direkt aus dem Spreewald, mit denen ihr euch nicht nur den Urlaub, sondern auch etwas ganz Außergewöhnliches nach Hause holen könnt. Die Rede ist von Gänseblümchen, Sauerampfer, Löwenzahn, Spitzwegerich, Giersch und der guten alten Brennnessel. 

Sechs herrlich sprießende Unkräuter, die in vielen Gärten rege Verzweiflung bei Mama und Papa auslösen. Ich schlage vor, diese Pflanzen nicht einfach auszureißen und in den Müll zu werfen, sondern sich anstatt (mehr oder minder) unnützen Blumen einfach mal ein Unkrautbeet anzulegen. 

Inspiriert von Spreewaldkoch und Unkraut-Experte Peter Franke (Un-Kraut-Laden in Werben) habe ich mich vor einigen Wochen daran gemacht, aus alten Paletten und losen Holzstückchen ein Hochbeet zu bauen. Es musste schmal und praktisch sein, da auf meinem Balkon nur sehr wenig Platz ist. Ich begann sechs Blumenkästen mit normaler Blumenerde zu füllen, verstreute einige Samen oder setzte ganze Pflanzen von der nächsten Wiese ein und goß sie mit reichlich frischem Wasser. 

 

Mittlerweile sind meine Pflänzchen fünf Wochen alt und gedeihen (wie ich finde) prächtig.

Zwar sind die typischen Blüten und Blätter noch nicht bei allen zu erkennen, dennoch möchte ich euch an dieser Stelle etwas mehr über die sechs wahrlich unbeliebten Superstars aus dem Spreewald erzählen… 

Gänseblümchen

Das Gänseblümchen ist eines meiner liebsten „Blümchen“. Es sind keine typischen Blumen, wie man sie in ein Beet pflanzen würde und doch finde ich, sie dürfen auf keiner Wiese fehlen. Die kleinen weiß-gelben Akzente zwischen den vielen Grashalmen verleihen dem Rasen zwischen März und November leben. Mit einer Höhe von vier bis zehn Zentimetern sind sie zwar recht winzig, doch die langen weiß- bis rosafarbenen Blätter reihen sich um einen gelben Kern, der aus ungefähr 100 weiteren Blättern besteht (schaut mal ganz genau hin). Zum Glück zählen sie zu den bekanntesten Pflanzenarten Mitteleuropas und sind tatsächlich auf fast jeder Weide und Wiese sowie in Gärten und Parks zu finden. Es erinnert mich dazu stark an meine Kindheit, da ich als typisches Mädchen früher oft hübsche Blumenkränze für mein Haar geflochten habe. Doch das Gänseblümchen kann noch viel mehr. Es schmeckt bitter bis nussig und wird als Heilmittel gegen Hautkrankheiten, Kopfschmerzen, Husten, Schlaflosigkeit oder auch Schwindelanfälle genutzt. Das Gänseblümchen hat außerdem ungewöhnlich viele weitere Namen, wie beispielsweise Tausendschön, Maßliebchen, Himmels-, Sonnen- oder Regenblume. Letztere könnten daher kommen, da sie ihr Blütenköpfen stets nach der Sonne ausrichten und bei Regen oder in der Nacht komplett schließen.

Sauerampfer

Ein weiterer Superstar aus der Region ist der Sauerampfer, oder auch Sauerlump genannt. Von Mai bis September kann man ihn auf Wiesen oder am Wegesrand finden. Überraschenderweise ist er ein Cousin des Rhabarbers, des Buchweizens und des vietnamesischen Korianders. Bis zu einem Meter kann der Ampfer bei guten Bedingungen wachsen. Schon die alten Ägypter und Römer haben Sauerampfer als Nahrungs- und Heilmittel entdeckt Als leckere Beilage zu verschiedenen Gerichten schmeckt er (wie der Name verrät) sauer, kann zum Ende des Junis hin jedoch auch leicht bitter werden. Dann kann er eingelegt im Glas in manchen Orten auf der Welt als Delikatesse gekauft werden. Als Heilmittel dagegen können die grünen Wunderblätter unter anderem durch ihren hohen Vitamin C-, B- und E-Gehalt zur Blutreinigung, zur allgemeinen Vitalität oder gegen Margen-Darm-Beschwerden eingesetzt werden. 

Löwenzahn

Der Löwenzahn ist ein ferner Verwandter des Gänseblümchens. Die Butter-, Kuh- oder Pusteblume blüht von April bis Juni und ist auf der ganzen Welt zu finden. Er liebt Weide- und Ackerflächen wie auch Wiesen und Parkanlagen. Teilweise verbreitet er sich sogar in Höhen von über 2.500 m. Aber wieso heißt der Löwenzahn eigentlich Löwenzahn? Die Antwort ist recht einfach: es ist zum einen die große, gelbe Blüte, die an die stolze Löwenmähne erinnert, zum anderen sind es die gezackten Blätter, die nicht nur sehr groß werden können (bis zu 25 cm breit und 40 cm lang!), sondern auch an die spitzen Zähne eines Löwen erinnern. Dabei hat das Unkraut noch weitere Gemeinsamkeiten mit einer Wildkatze, denn sie kann sich sehr gut gegen ihre Angreifer verteidigen. Und zwar mit der bitteren Milch im dicken Stängel, die hungrige Tiere davon abhalten, den Löwenzahn anzuknabbern. Was mich an diesem Superstar besonders fasziniert ist die Verwandlung von einer Butter- in eine Pusteblume. Die vielen kleinen gelben Zungenblüten werden über die Blütezeit von fleißigen Bienen und anderen Insekten bestäubt. Im Inneren der Blüte bilden sich anschließend viele kleine schwarze Samen, die mit einem flauschigen Flugschirm (der Pappus) ausgestattet sind. Sobald der Löwenzahn all seine alten Blüten abgestoßen hat, öffnet sich das Köpfchen der Pflanze mit einem großen runden Flaum von Flugschirmchen. Mit dem nächsten Windstoß werden die Samen der Pusteblume dank ihrer schlauen Konstruktion fortgetragen und können an einem anderen Ort keimen und zu einer neuen Pflanze heranwachsen. 

Spitzwegerich

Spitzwegerich ist ist ebenso ein wahres Wundermittel. 2014 wurde er zur Arzneipflanze des Jahres gewählt, da er in vielerlei Hinsicht ein praktisches Heilkraut ist. Auch Heilwegerich oder Ripplichrut genannt, blüht er von Mai bis September mit einem länglichen weiß-gelben Blütenstängel und liebt sonnige, feuchte Böden. Im Gegensatz zu seinen spreewälder Kollegen, findet man ihr vorrangig an besonders nährstoffreichen Plätzchen, wie Waldlichtungen, Brachflächen und Wegesrändern. Die Gattung, der er angehört (Wegeriche) besitzt mehr als 190 Arten, was in der Pflanzenwelt wahrlich beeindruckend ist. Genauso faszinierend sind die Wurzeln, die bis zu 60cm in die Erde reichen, während die Pflanze nur zwischen 10cm und 60cm hoch werden kann. Als Heilmittel wurde und wird er insbesondere gegen Husten und Heiserkeit eingesetzt. Falls ihr ihn noch nicht entdeckt habt, achtet auf den kleinen Pilz an der oberen Kante des Blumenkastens. Ich kann mir denken, wieso er sich beim Spitzwegerich besonders wohl fühlt, denn sie haben eine Gemeinsamkeit! So wie der Pilz selbst, haben auch die Blätter des Spitzwegerichs einen leicht pilzigen Geschmack, was ihn aus kulinarischer Sich besonders interessant macht. 

Giersch

Der Giersch in meinem Kasten hat eine besondere Geschichte. Bevor ich mich überhaupt auf den Weg machen konnte, um Samen oder Pflanzen zu besorgen, kam eine gute Bekannte (die von meinem Projekt gehört hatte) und brachte mir mit den Worten: „Mein Garten ist voll davon! Du kannst sie alle haben!“ ein schönes großes Exemplar. Natürlich freute ich mich darüber und pflanzte es direkt ein. Da das Unkraut-Hochbeet in den ersten Nächten noch nicht auf meinem geschützten Balkon stand, fand ich meinen Giersch am nächsten Morgen völlig Blätterlos und abgefressen vor. Da hat es sich jemand schmecken lassen… Doch lange musste ich über den Verlust nicht traurig sein, denn schon zwei Tage später sah ich das Köpfchen eines neuen Keims sich aus der Erde strecken. Somit kann ich aus meinem Projekt nur bestätigen, dass sich Giersch in Windeseile vermehrt und sich in großen Gärten vermutlich besonders schnell von Ort zu Ort wuchert. Aber was steckt nun genau hinter diesem Unkraut- Superstar? Menschen mit Rheuma, Gicht, Blasenentzündung und Skorbut können Giersch als unterstützendes Heilmittel verwenden. Dabei können die Blätter als gute Alternative zu Spinat gegessen werden. Hinter dem griechischen botanischen Fachnamen „Aegopodium podagraria“ (übersetzt Ziegenfuß) verbirgt sich bereits das Aussehen des Unkrautes – das dreiblättrige Ende des Strauches sieht aus wie die Hufe einer Ziege! Neben Gärten, Wäldern und Wiesen machen sich diese Ziegenfüße auch gerne in Gebüschen, auf Abhängen oder in der Nähe von Bahntrassen breit. Im Gegensatz zum Spitzwegerich hat Giersch nur sechs weitere Gattungsarten, von denen der uns bekannte Giersch der einzige in Europa ist. 

Brennnessel

Mit der Brennnessel verbinden viele Menschen leider nur eine sehr negative, schmerzhafte Erfahrung. So wie ich haben bestimmt viele von euch die Erinnerung, ausversehen an eine Brennnessel gefasst zu haben (höchstwahrscheinlich zwischen Juni und Oktober) und fiese, juckende, rote, geschwollene Punkte auf der Hand zu bekommen. Während die Oma von weiter weg unbekümmert rief: „Kind, jetzt tut es weh, aber es ist gut gegen Rheuma!“ dauerte es oft eine Ewigkeit, bis das Brennen und Jucken endlich wieder aufhörte. Autsch! Auch wenn ich erst skeptisch war, habe ich mich dafür entschieden die Brennnessel besser kennenzulernen, sie in mein Sommerprojekt aufzunehmen und diese fiese Pflanze auf meinen Balkon zu holen. Also tun wir doch so, als ob Brennnessel nicht unser jahrelanger Gegner bei einem Spaziergang im Wald oder am Teich wäre und schauen uns die überraschend vielen guten Eigenschaften dieses Superstars an. Die Familie der Brennnessel umfasst über 2.500 Arten, die in 56 Gattungen geteilt werden können. Die hier verbreiteten Arten sind jedoch nur die große und kleine Brennnessel. Bei der Großen handelt es sich um Höhen von über drei Metern. Also viel größer, als der größte Papa! Als wolle die Pflanze uns austricksen, hat sie längliche, herzförmige Blätter, die jedoch scharf gezackte Kanten und eine stark strukturierte Oberfläche haben. Dort befinden sich auch die sogenannten Brennhaare aus Kiesel- und Ameisensäure, die für den fürchterlichen Ausschlag auf der Haut verantwortlich sind. Diese Härchen gleichen kleinen Nadeln, die sich in die Haut des „Angreifers“ bohren und gleichzeitig die (für uns ungefährliche) Säure in die Haut transportiert. Erntet man diese Blätter jedoch vorsichtig, hat man ein hervorragendes Küchen- und Heilkraut. So wussten bereits die Menschen im Mittelalter das kostenlose Unkraut als Heilmittel für Alltagsleiden wie Harn- und Darmbeschwerden oder als Naturpflaster zu schätzen. Heute weiß man, dass die Brennnessel entzündungshemmend, harntreibend, krampflösend oder auch schmerzlindernd wirkt und so unter anderem (wie Oma vorausgesagt hat) gegen Rheuma, Harn- und Nierenbeschwerden, Gicht, Juckreiz oder auch Gallenstörungen hilft.

Sie alle sind in Aussehen und Charakter völlig verschieden und haben doch zwei Dinge gemeinsam:

1. Sie sind bei allen Mamas und Papas absolut unbeliebt.

2. Sie sind nicht nur superlecker, sondern auch aus medizinischer Sicht sehr nützlich zur Bekämpfung und Linderung vieler Beschwerden. 

… aber widerspricht sich das nicht? Ich glaube, dass Brennnessel, Giersch und Co. einfach so unbeliebt sind, weil sie keine prächtigen bunten Blüten haben, im Gegensatz zu den wählerischen Tulpen und Rosen sich mit vielen verschiedenen Standorten zufrieden geben und darüber hinaus auch noch sehr schlau sind und sich gegen Angreifer und Schleckermäulchen wehren können.  Weil ich jetzt schon ein riesiger Fan des Unkrauts bin, möchte ich euch in diesem Sommer mit meinem Projekt beweisen, wie toll diese unbeachteten Superstars eigentlich sind. Es lohnt sich, die unerwünschten Pflänzchen das nächste Mal nicht einfach rauszureißen und in den Müll zu werfen, sondern daraus leckere Gerichte, Snacks und Tees zuzubereiten. 

Sobald meine Pflanzen groß genug sind, werde ich sie euch ganz genau vorstellen und berichten, welche kulinarischen Leckereien man aus ihnen zaubern kann. 

Bis dahin habt ihr die Zeit, euer eigenes Spreewald-Unkraut-Hochbeet anzulegen und das Sommerprojekt mit mir gemeinsam zu starten. Vielleicht lassen sich Mama und Papa ja überreden, einen Ausflug in den Spreewald zu unternehmen, um eure Unkräuter so wie ich original aus der Region zu sammeln!

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